Leuchtturmbericht: Online-Konsultation
„Welche Ideen sollen Deutschland und Frankreich in Europa vorantreiben?“ 50.000 Personen aus beiden Ländern können im Rahmen einer Online-Konsultation ihre Vorschläge einbringen – bei einer Abschlussveranstaltung zum Europatag werden die Ergebnisse vorgestellt.
Die Online-Konsultation ist von Civico Europa und der Europäischen Akademie Berlin initiiert und wird von make.org durchgeführt. Projektpartner sind die Deutsch-Französische Hochschule und die Französische Industrie- und Handelskammer in Deutschland. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Deutsch-Französischen Bürgerfonds und der AXA Gruppe.
build Trägerorganisation: Civico Europa
group Partnerorganisation: Europäische Akademie Berlin e. V.
event Zeitraum: Januar - Juni 2023
pin_drop Ort: online
euro Fördersumme: 128.000 €
Teil 1: Interview „Hintergrund“
1 - Wie können Bürger*innen für die aktive Mitgestaltung der Zukunft Europas gewonnen werden – und warum ist das wichtig?
Europäische Akademie Europa: Europas Bürger*innen bringen die besten Ideen für die Gestaltung Europas mit. Damit sie diese auch einbringen, braucht es einen konkreten Bezug zum eigenen Leben und ein Verständnis von dem, was Europa bedeutet.
Informationskampagnen, die Förderung von Debatten, die Schaffung von Teilhabemöglichkeiten und die Unterstützung von politischer Bildung sind dabei zentrale Bausteine, damit Europas Bürger*innen sich für die Gestaltung Europas einsetzen.
Dieser Einsatz ist unverzichtbar, da erst die Teilhabe der Bürger*innen demokratische und transparente Entscheidungen ermöglicht – Entscheidungen, die einen direkten Einfluss auf das Leben der Bürger:innen haben. Und nicht zuletzt stärkt die Mitgestaltung auch eine gemeinsame europäische Identität.
2 - Wie steht es um Bürgerbeteiligung in Deutschland und Frankreich?
make.org: Wir setzen uns in ganz Europa für mehr Teilhabe von Bürger*innen in demokratischen Prozessen ein. Bei unseren Konsultationen in Deutschland und Frankreich konnten wir feststellen, dass Menschen in beiden Ländern genauso viel Lust haben, den öffentlichen Diskurs mitzugestalten.
Die Formen, Akteur*innen und Ebenen der demokratischen Teilhabe in Deutschland und Frankreich unterscheiden sich zwar manchmal. Aber die Menschen dies- und jenseits des Rheins teilen die gleiche Neugierde und Bereitschaft, ihre Meinung zu teilen – vor allem bei Online-Konsultationen.
Bei der Konferenz zur Zukunft Europas haben wir zum Beispiel 95.000 junge Menschen aus Deutschland und Frankreich dazu gebracht, ihre Prioritäten für Europa anzugeben.
3 - Was würden Sie selbst auf die Frage der Online-Konsultation antworten?
CIVICO Europa: Wir bei CIVICO Europa wünschen uns, dass Deutschland und Frankreich sich aktiv für die Idee eines politischen Europas einsetzen.
Das würde erstens bedeuten, dass Bürger*innen aller Mitgliedsstaaten richtig repräsentiert sind. Und zweitens gäbe es Mechanismen, die Teilhabe und Beratschlagungen fördern, sodass echte europäische Demokratie gelebt wird.
Teil 2: Interview „Stand der Dinge“
1 - Woran arbeiten Sie gerade?
Civico: Neben der Online-Konsultation und der dazugehörigen Kommunikationskampagne bereiten wir auch eine Veranstaltung zum Europatag vor, bei der die Ergebnisse vorgestellt werden. Gemeinsam mit allen Partnern überlegen wir auch, wie wir die Ergebnisse am besten veröffentlichen können: Wir möchten erreichen, dass sie sowohl von Teilnehmenden und der breiten Öffentlichkeit als auch von politischen Entscheidungsträger*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft wahrgenommen werden. Nur so können die Anliegen von Bürger*innen einbezogen und in konkrete Aktionen übersetzt werden.
2 - Wie arbeiten Sie mit den Partnerorganisationen zusammen?
make.org: Wir haben eine einmalige Kooperation geschaffen: zwischen Akteur*innen der Zivilgesellschaften beider Länder (Civico Europa, Europäische Akademie Berlin), der Forschung (Deutsch-Französische Hochschule) und der Welt der Wirtschaft (AXA, CCI France Allemagne). Außerdem wird das Projekt unterstützt vom deutschen und französischen Außenministerium.
Weil nicht alle Beteiligten beide Sprachen beherrschen, verständigen wir uns auch auf Englisch. Das deutsch-französische Team von make.org ist für die Koordination zuständig.
Derzeit tauschen wir uns vor allem zur bevorstehenden Veröffentlichung der Ergebnisse aus.
3 - Wie machen Sie die Online-Konsultation bekannt?
Europäische Akademie Berlin: Parallel zu umfassenden Kampagnen in den sozialen Medien, die in Frankreich und Deutschland durchgeführt werden, um französische und deutsche Bürger:innen weitreichend und vielfältig zu erreichen und zu beteiligen, veröffentlichen wir Pressemitteilungen und nutzen insbesondere auch unsere Netzwerke. So binden wir gezielt Netzwerkpartner ein, wie beispielsweise die Mitglieder der Berliner Initiative zur Zukunft Europas. Unsere Partner können die Konsultation wiederum in ihren Netzwerken und eigenen Zielgruppen bekannt machen, um eine große Reichweite der Konsultation und damit eine starke Beteiligung der Bürger:innen zu ermöglichen.
Dania Buchal
Alter: 35 Jahre alt
Beruf: Head of Brand & Co
Rolle im Projekt: Project Lead, AXA Germany
Warum sie an dem Projekt teilnimmt: „AXA unterstützt das Projekt als Partner aus der Wirtschaft. Ich bin überzeugt davon, dass die Zivilgesellschaft wertvolle Impulse für zentrale gesellschaftliche Fragestellungen liefern kann – und dankbar, dass make.org eine Plattform bietet, durch die diese Impulse sichtbar werden.“
Was sie mit Frankreich verbindet: „Es liegt an uns allen, die deutsch-französische Freundschaft Tag für Tag mit Leben zu füllen: nicht nur Regierungen, sondern auch die Wirtschaft und gerade auch jede*r einzelne von uns. Deshalb freue ich mich darüber, Teil eines französischen Konzerns in Deutschland zu sein, in dem ich diesen Austausch jeden Tag erleben darf.“
Tremeur Denigot
Alter: 53 Jahre
Beruf: Experte für europäische Bildung
Rolle im Projekt: Co-Präsident von CIVICO Europa
Was er mit Deutschland verbindet: „Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist und bleibt der Motor von Europa. Aber ein Motor ist nicht viel wert ohne die anderen Bestandteile eines Autos – und gleiches gilt auch andersherum. Die Bürger*innen Deutschlands und Frankreichs sind die Passagiere und müssen sich, ebenso wie die anderen 25 Mitgliedsstaaten, das Lenkrad besser teilen.“
Warum er an dem Projekt teilnimmt: „Dieses Projekt zwischen zwei Gründerstaaten von Europa schließt sich an die paneuropäische Konsultation „WeEuropans“ an, die wir mit CIVICO Europa und Make.org 2019 durchgeführt haben. In beiden Fällen geht es darum, Bürger*innen zu Wort kommen zu lassen, damit Politiker*innen ihre Sorgen und Empfehlungen zur Kenntnis nehmen. Ich bin fest davon überzeugt: Europa braucht seine Bürger*innen. Die europäische Demokratie muss sich weiterentwickeln und die Menschen stärker einbeziehen, wenn es darum geht, Politik zu gestalten.“
Sarah Delahaye
Alter: 32 ans
Beruf: Geschäfstführerin von Make.org Deutschland
Rolle im Projekt: Strategie und Projektleitung
Deswegen macht sie beim Projekt mit: „Make.org unterstützt die Initiatoren und Partner des Projekts mit seiner Expertise und Erfahrung bei Projekten zu Bürgerbeteiligung. Als Deutsch-Französin und Geschäftsführerin von make.org Deutschland ist es mir eine Ehre, dieses Projekt zu leiten und die verschiedenen Aktivitäten und Teams zu steuern – in meinen beiden Muttersprachen und Kulturen.“
Was sie mit Deutschland/Frankreich verbindet: „Ich bin in Frankreich geboren und habe während meiner Schulzeit und meines Studiums Deutsch gelernt und viele Austausche mit Deutschland gemacht. Jetzt lebe ich seit mehr als 10 Jahren in Berlin und habe seit letztem Jahr sogar auch die deutsche Staatsbürgerschaft Ich lebe wirklich mit und zwischen zwei Kulturen und das ist eine große Bereicherung.“
Bilanz
Die Online-Konsultation wurde bis 23. April verlängert, damit möglichst viele Menschen ihre Stimme abgeben konnten:
51.611 Bürger*innen (25.578 in Frankreich, 26.033 in Deutschland) haben ihre Prioritäten für die Zukunft der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Europa angegeben; insgesamt sind 1.783 Vorschläge eingegangen, für die 942.185 mal abgestimmt wurde. Mehr als 3,7 Millionen Menschen in Deutschland und Frankreich sind durch das Projekt erreicht worden.
Die Abschlussveranstaltung fand mit 90 Teilnehmenden vor Ort und 30 Teilnehmenden im Livestream am 1. Juni im Historischen Museum Saar in Saarbrücken statt. 8 Bürger*innen, die an der Konsultation teilgenommen hatten, waren vor Ort und stellten ihre Beiträge vor.
Die letzten Monate waren entscheidend und ziemlich intensiv, weil gleichzeitig der Abschlussbericht und die Abschlussveranstaltung vorbereitet werden mussten.
Die Ergebnisse unterstreichen die Sinnhaftigkeit der Initiative: Die Bürger*innen möchten die deutsch-französischen Beziehungen mitgestalten und ihre Erwartungen an politische Entscheidungsträger*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft weitergeben.
Jetzt gilt es, diesen Dialog weiterzuführen – vor allem auf Grundlage der 16 gemeinsamen Prioritäten, die aus der Konsultation hervorgehen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und der Diskussionen bei der Abschlussveranstaltung werden nun, anlässlich des Staatsbesuchs von Emmanuel Macron in Deutschland Anfang Juli, den Regierungen übergeben.