6 Erfolgsfaktoren für Städtepartnerschaften mit Zukunft
Was macht kommunale Partnerschaften aus? Schnell fallen Begriffe wie „Aussöhnung nach dem Krieg“, aber auch „angestaubtes Image“. Doch wenn wir den Blick in die Zukunft richten, tun sich viele neue Perspektiven auf.
Dieser Artikel ist zunächst als Gastbeitrag für das Magazin „EUROPA kommunal“ der Deutschen Sektion des Rats der Gemeinden und Regionen Europas erschienen. Der RGRE ist Mitglied im Beirat des Bürgerfonds.
Etwa 70 Jahre nach der Begründung der ersten deutsch-französischen Städtepartnerschaften geht es darum, die grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit zukunftsfest aufzustellen. Genau das hat sich der Deutsch-Französische Bürgerfonds zum Ziel gemacht.
Neben der finanziellen Unterstützung von Projekten begleitet er seit 2024 Engagierte mit dem Programm „Zukunftspartnerschaften“ dabei, an ihren Herausforderungen zu wachsen. In Online-Workshops lernen sie etwa, wie sie neue Menschen für ihre Aktionen gewinnen, die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Städtepartnerschaftskomitee verbessern oder neue Themen angehen können.
Pünktlich zum Deutsch-Französischen Tag am 22. Januar 2025 schloss der erste Jahrgang die Fortbildung mit einer Präsenzveranstaltung in Rouen ab, übergab den Staffelstab an eine neue Gruppe und zog ein zufriedenes Fazit:
- „Das Programm war ein echter Motivations-Boost“, so Livia Grigorescu für die Partnerschaft Sablé-sur-Sarthe – Bückeburg.
- „Ich nehme mit, dass es wertvoll ist, für die Partnerschaft weiterhin neue Aktivitäten zu starten und Mitglieder zu werben“, ergänzte Ralf Bechtold aus Weinolsheim, das mit Brochon verbunden ist.
- Und Fabrice Poret aus Le Havre war sich sicher im Hinblick auf die Partnerschaft mit Magdeburg: „Wir werden die Arbeit in unseren Städtepartnerschaften voranbringen, in unseren Vereinen und darüber hinaus.“
Während die einen eine Bürgerreise mit Demokratie-Workshops und ein regionales Städtepartnerschaftstreffen in Thüringen geplant haben, laden andere den Nachbarschaftsverein zur nächsten Fahrt in die Partnerstadt ein, arbeiten am Relaunch ihrer Website oder veröffentlichen ein neues Video über die Städtepartnerschaft.
Sechs Erfolgsfaktoren
Eine Zukunftspartnerschaft ist offen für Neues, vernetzt mit anderen und digital sichtbar. Oft lässt sich dabei schon mit kleinen Veränderungen viel bewegen.
Nach einem Jahr „Zukunftspartnerschaften“ und über 1.700 durch den Bürgerfonds geförderten Projekten im Rahmen kommunaler Partnerschaften zeichnen sich sechs Erfolgsfaktoren für lebendige Partnerschaften ab, die Kommunen selbst in der Hand haben:
Wertschätzung von Engagement
Partnerschaftskomitees oder -vereine verantworten in vielen Fällen die Beziehungen zur Partnerkommune oder gestalten sie mit. Wie jedes Ehrenamt braucht auch dieses grenzüberschreitende Engagement Anerkennung, um Menschen der Relevanz ihres Tuns zu versichern und sie in ihrer Motivation zu bestärken.
Ganz konkret kann sich diese Wertschätzung zeigen, indem die Kommune bei Partnerschaftsbegegnungen durch Vertreterinnen oder Vertreter aus Politik oder Verwaltung repräsentiert ist – umso mehr, wenn die Partnerschaft offiziell auf Ebene der Kommune besiegelt wurde.
Unterstützung durch die Kommune
Um kommunale Partnerschaften durch vielfältige Aktionen mit Leben füllen zu können, braucht es finanzielle Unterstützung. Aber auch darüber hinaus lassen sich Synergien schaffen, etwa wenn Räumlichkeiten oder Kommunikationskanäle zur Verfügung gestellt werden:
Verweist die Website der Kommune auf die Partnerschaft und das Komitee oder den Verein? Wirbt das Gemeindeblatt für Veranstaltungen? Widmet die Kommune ihrer Partnerstadt zum Deutsch-Französischen Tag einen Themenschwerpunkt in den sozialen Medien?
Systematische Zusammenarbeit
mit Vereinen oder Komitees
Besonders erfolgreich verläuft die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Komitee oder Verein, wenn Zuständigkeiten, Ansprechpersonen und Abstimmungsformate gemeinsam in einer Vereinbarung festgelegt werden, so wie das zum Beispiel die französische Stadt Bègles getan hat.
Vernetzung
Eine Kommune kann die Initiative ergreifen, um verschiedene Akteure zusammenzubringen.
Ein gewinnbringendes Format sowohl für Ehrenamtliche als auch für Verwaltungsmitarbeitende ist die regionale Vernetzung: So lud etwa die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg im Januar 2025 zu einem deutsch-französischen Städtepartnerschaftskongress ein. Im persönlichen Austausch erarbeiteten 60 Teilnehmende Vorschläge, um ihre Partnerschaften weiterzuentwickeln:
- Welche Aktionen funktionieren in benachbarten Kommunen gut?
- Welche positiven Erfahrungen können wir selbst weitergeben?
- An welche Projekte kann man andocken?
- Wann machen gemeinsame Veranstaltungen Sinn?
Alle mitnehmen
Lohnenswert ist es auch, Partnerschaftsbegegnungen als Chance für die ganze Kommune zu begreifen und insbesondere die Vereinslandschaft aktiv einzubinden.
Die Partnerstädte Pirmasens und Poissy haben es sich etwa zur Gewohnheit gemacht, bei jedem Besuch ein „Plus one“ mitzunehmen – 2024 zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter der Heinrich Kimmle Stiftung, die Menschen mit Beeinträchtigungen begleitet. In Frankreich tauschten sie sich mit
Behinderteneinrichtungen aus und planten in der Folge eigene deutsch-französische Projekte.
So wird die Städtepartnerschaft und damit die europäische Erfahrung eines grenzüberschreitenden Austauschs für ein breiteres Publikum zugänglich und die Frage der Mobilisierung neuer Menschen nicht nur auf Jugendliche verengt. Ein weiterer Vorteil: Die Pflege der Beziehungen wird auf mehrere Schultern verteilt.
„Neue“ Themen
Außerdem gelingt es so ganz automatisch, die kommunalen Partnerschaften als Rahmen für Austausch und Begegnung zu „neuen“ Themen zu gestalten, so wie dies etwa bei diesen durch den Bürgerfonds geförderten Projekten der Fall war:
- Bei einer Bürgerreise von Glienicke/Nordbahn nach Plobannalec-Lesconil standen kommunale Klimaschutzprojekte im Zentrum.
- Pegnitz und Guyancourt tauschten sich über die Energiegewinnung in den Partnerstädten aus,
- Leverkusen und Villeneuve-d'Ascq über Umweltschutz
- sowie Schweich und Marsannay-la-Côte über Hochwasserschutz.
- Im Rahmen der Regionalpartnerschaft zwischen Mittelfranken und der früheren Region Limousin lud der Kulturverein Oberasbach eine Reisegruppe aus Limoges ein, um über Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt nach den Europawahlen zu diskutieren.
- Bürgerinnen und Bürger aus Gommern fuhren nach Saint-Jean-de-la-Ruelle, um mehr über das politische System und Bürgerbeteiligung in Frankreich zu erfahren.
- Und der Frauenverein Nord Madame Dunkerque stellte seinen Besuch in der Partnerstadt Rostock ganz ins Zeichen der gesellschaftlichen Teilhabe von Frauen.
Städtepartnerschaften: heute wichtiger denn je
Diese Beispiele zeigen: Alle kommunalen Partnerschaften haben das Zeug zur Zukunftspartnerschaft, denn sie sind ein Gemeinschaftsprojekt. Sie stiften Zusammenhalt über Grenzen hinweg und bilden einen Rahmen, innerhalb dessen sich alle in der Kommune engagieren können: Vereine und Verwaltung, Politik und Privatpersonen. Sie eröffnen sprachlich und kulturell neue Horizonte, aber auch Räume für fachlichen Austausch, in dem die Teilnehmenden nicht nur von ihrem Gegenüber lernen, sondern auch Neues über eigene Sicht- und Herangehensweisen erfahren.
Natürlich darf abschließend trotzdem der Verweis auf die historische Bedeutung kommunaler Partnerschaften und ihren Beitrag zur Versöhnung Deutschlands und Frankreichs nicht fehlen – insbesondere in diesem Jahr, in dem sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal jährt, und in einem politischen Kontext, der dieses Gedenken aktualitätsbezogener macht als einem lieb ist.
Erinnerungsarbeit, grenzüberschreitende Kooperationen und Projekte, die Toleranz, Offenheit und Zusammenhalt stärken, sind heute wichtiger denn je. Kommunale Partnerschaften bieten dafür ein ideales Format.