Paneldiskussion: Ländliche Räume – Räume der Chancen?
Um Herausforderungen, aber vor allem um Lösungsansätze für Engagement in ländlichen Räumen drehte sich eine Paneldiskussion, zu der der Bürgerfonds anlässlich des Deutsch-Französischen Tages in Rouen eingeladen hatte.
„Wenn ein Verein in einer strukturschwachen Region seine Aktivitäten einstellt, ist das ein echtes Drama“, sagte zum Einstieg Cyril Cibert, Bürgermeister des Dorfes Chenevelles und Vorsitzender der Bürgermeister ländlicher Gebiete im Département Vienne. Es seien vor allem die Vereine, die in ländlichen Räumen für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen.
Chantal Petit, beigeordnete Bürgermeisterin im „Zukunftsdorf“ Ry mit 800 Einwohner*innen und 20 Vereinen, verwies jedoch auch auf die Bedeutung der lokalen und regionalen Verwaltung.
Eine der zentralen Herausforderungen für Vereine sei es, aktive Mitglieder zu gewinnen und zu halten. Das bestätigte auch Chantal Petit: „Freiwilliges Engagement wird seltener. Manche Menschen fühlen sich nicht legitim, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen, andere haben schlicht keine Zeit.“
Sophie Scholz, Leiterin des Programms „Engagiertes Land“ bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, nutzte die Gelegenheit, um einen Best-Practice-Guide vorzustellen, den die DSEE kürzlich herausgegeben hat: Unter dem Titel „Menschen für Engagement gewinnen“ werden dort erfolgreiche Aktionen vorgestellt, mit denen Vereine neue Mitstreiter*innen gewonnen haben.
Aus seinem Dorf Chenevelles berichtete Cyril Cibert von verschiedenen Aktionen, mit denen junge Menschen an ehrenamtliches Engagement herangeführt werden – und bei denen sie merken, dass sie dadurch auch etwas zurückbekommen: sei es Dankbarkeit und Gemeinschaft oder etwa einen Zuschuss zum Führerschein von der Gemeinde.
Auch der Zugang zu Fördermitteln müsse verbessert werden: Sophie Scholz warb für eine langfristige statt projektgebundene Förderung von Engagement.
Cyril Cibert kritisierte: „Oft wissen Engagierte gar nicht, an welche Tür sie klopfen können.“
Und Chantal Petit erinnerte an die Rolle der Kommunen: „Wir stellen unseren Vereinen etwa kostenlose Räumlichkeiten zur Verfügung. Das ist nicht überall Gang und Gäbe, macht aber einen großen Unterschied.“
Schließlich hoben die Panelist*innen hervor: Es gilt, ein positives Bild ländlicher Räume zu schaffen und ein Zugehörigkeits- und Heimatgefühl zu stärken.
Sophie Scholz fasste das mit der Frage zusammen: „Wie kann man das Bild vom leeren Raum umwandeln in einen Raum der Chancen?“
Chantal Petit erzählte von zwei außergewöhnlichen Aktionen, die 2024 in ihrem Dorf Ry für Begeisterung, Zusammenhalt und gemeinsames Engagement gesorgt hatten: Ry war als eines von 14 Dörfern in die Endrunde des Wettbewerbs „Das Lieblingsdorf der Franzosen“ gekommen, und zudem mit dem Label „Blumengeschmücktes Dorf“ ausgezeichnet worden. „Das hat uns zusammengeschweißt und eine wahnsinnige Energie geschaffen“, so Petit.
Auch die Bewohner*innen in Chenevelles sind stolz auf ihr Dorf – und zwar im doppelten Wortsinn: Auf Initiative ihres Bürgermeisters haben sie die erste ländliche Pride Parade ins Leben gerufen. Die in Regenbogenfarben geschmückten Traktoren und die lange Partynacht erregten landesweite Medienaufmerksamkeit und zeigten: Vielfalt und Engagement machen jedes Dorf zum „place to be“.
Durch die Diskussion führte Sarah Champagne, Projektleiterin im Pariser Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Organisiert wurde die Veranstaltung mit Unterstützung der Stadt Rouen.