Interview
„Sport, eine geteilte Leidenschaft“

22.02.2021

Jean-Michel Brun, Generalsekretär des Comité national olympique et sportif français (CNOSF), unterstreicht im Interview, wie wichtig deutsch-französischer Austausch im Sport ist und gibt einen Ausblick auf das Sportjahr 2021.

 

1 - Der CNOSF hat sehr viel Erfahrung mit deutsch-französischen Sportaustauschen. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen und erklären, warum es so wichtig und bereichernd ist, grenzüberschreitende Projekte im Sport durchzuführen?

Der deutsch-französische Austausch hat eine ganz besondere Historie und einen großen Lerneffekt auf Teilnehmende; deswegen zeichnet er sich durch eine herausragende Expertise und einzigartige pädagogische Tools aus. Scheinbare Gegensätze als Bereicherung anzusehen, ist ein erster Schritt, um Vertrauen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu schaffen.

Als jahrelanger Partner und Zentralstelle „Sport“ des DFJW unterstützt der CNOSF Projektträger aus der französischen Sportlandschaft, die deutsch-französischen Austausch organisieren möchten. Diese Förderung kann dank der Subventionen des DFJW finanzieller Natur sein, aber auch in Form von pädagogischer Projektbegleitung stattfinden. Außerdem bieten wir Fort- und Weiterbildungen an, z. B. Infostunden, Verbandssitzungen, das Projekt „Bewege deine Städtepartnerschaft“ usw.

Der CNOSF organisiert auch einen deutsch-französischen Freiwilligendienst, im Rahmen dessen junge Menschen aus Deutschland und Frankreich sich in Sportvereinen des Partnerlands engagieren können.

Grenzüberschreitende Projekte sind ein dauerhaftes Bindeglied.

 

2 - Welche Zutaten braucht es Ihrer Erfahrung nach für eine gelungene deutsch-französische Zusammenarbeit im Sport?

Eine sehr wichtige Rolle spielen Entscheidungsträger*innen, die neue Dynamiken anstoßen und bestehende Beziehungen festigen – beim DFJW waren bzw. sind das etwa Béatrice Angrand und Markus Ingenlath, Anne Tallineau und Tobias Bütow: Unverzichtbare Persönlichkeiten mit Rückgrat und Menschlichkeit, die die Energie ausstrahlen, die es braucht, um gemeinsame Projekte umzusetzen.

Der CNOSF und die Deutsche Sportjugend arbeiten eng zusammen, sowohl auf Arbeitsebene zwischen den für Internationale Beziehungen zuständigen Kolleg*innen als auch auf Ebene der Präsidenten beider Verbände. Wir teilen gemeinsame Werte.

Was den Austausch im Sport einfacher macht, ist, dass wir die gleiche Sprache sprechen: eine geteilte Leidenschaft und Spielregeln, die auf Loyalität und universellen Werten beruhen, die im interkulturellen Austausch eine ganz zentrale Rolle spielen.

Auch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) arbeiten wir eng zusammen, um gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen.

 

3 - Wie blicken Sie auf das Sportjahr 2021, das auch weiterhin von der Coronakrise geprägt sein wird?

In diesen schweren Zeiten kann es helfen, sich an folgenden Ausspruch von Montaigne zu erinnern: „Die stärkste, großzügigste und erhabenste aller Tugenden ist die Tapferkeit.“ Die Coronakrise hat uns gezeigt, wie fragil unsere vermeintlich sicheren Überzeugungen sind. Es kommt jetzt vor allem darauf an, Einheit und Solidarität zu zeigen.

Wir blicken voller Hoffnung in die Zukunft. Es ist wichtig, das Modell vor dem Hintergrund des Umgangs mit der Krise neu zu bewerten. Europa steht vor zahlreichen Herausforderungen und der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees hat es auf den Punkt gebracht: „Unser Sportmodell basiert auf Solidarität, Inklusion und Millionen von Ehrenamtlichen.“

Die Olympischen und Paraolympischen Spiele in Tokyo werden uns an die Flamme von Olympia erinnern, deren Begeisterung uns ansteckt. Die großen internationalen Sportevents stehen für den grenzüberschreitenden Wettkampf, die Quelle unserer Motivation. Wenn die Sportverbände die Arbeit wieder aufnehmen, muss es vor allem darum gehen, Vereinsmitglieder neu- bzw. wiederzugewinnen, insbesondere junge Menschen mit besonderem Förderbedarf. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass menschliche Beziehungen und geselliges Miteinandersein ein kostbares Gut sind.


Jean-Michel Brun ist Generalsekretär des CNOSF (Comité national olympique et sportif français). Der promovierte Jurist ist Mitglied des Aufsichtsrats der Olympischen Spiele in Paris 2024, Mitglied des Exekutiv-Ausschusses des Europäischen Olympischen Komitees, dem 50 Länder angehören, sowie Mitglied der Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees, der 206 Länder angehören.